Am 20. Mai 2022 wird der Weltbienentag (World Bee Day) gefeiert. Mit diesem Aktionstag soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Bienen und der Bienenzucht geschärft und die Öffentlichkeit über wichtige Imkereiveranstaltungen auf der ganzen Welt informiert werden. Der Weltbienentag wurde auf Initiative Sloweniens durch die Vereinten Nationen am 20. Dezember 2017 eingeführt und erstmals am 20. Mai 2018 veranstaltet. Dieses Datum geht auf den Geburtstag des Tschechen Anton Janša, einem Pionier der modernen Imkerei, zurück.
Bienen sind nicht nur einer der wichtigsten Bestäuber, um die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit, eine nachhaltige Landwirtschaft und die biologische Vielfalt zu gewährleisten. Sie tragen auch wesentlich zur Eindämmung des Klimawandels und zum Umweltschutz bei. Langfristig kann der Schutz der Bienen und des Bienenzuchtsektors dazu beitragen, Armut und Hunger zu verringern sowie eine gesunde Umwelt und biologische Vielfalt zu erhalten. Mehr als ein Drittel unserer Nahrungsmittel würden ohne das Zutun der Bienen, also ohne Bestäubung, nicht gedeihen. Das Überleben der Menschheit ist deshalb stark von Bienen abhängig.
Die Bienen sind jedoch in ihrer Existenz durch Pestizide, Schädlinge, Krankheiten, Monokultur und den Klimawandel zunehmend gefährdet. Nach Angaben des deutschen Imkerbundes ist allein in Deutschland die Zahl der Bienenvölker seit 1952 von 2,5 Millionen auf heute weniger als eine Million zurückgegangen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können aus Sicht der Veranstalter des Weltbienentages der Schutz der Bienen und ihrer Lebensräume gewährleistet werden.
Ulrich Beckwermert
Wie das Summen der Bienen
Was die Kirche von Honigbienen lernen kann
Passend zum Weltbienentag lenkt der Osnabrücker Generalvikar und begeisterte Hobbyimker Ulrich Beckwermert mit seinem im März 2022 erschienenen Buch „Wie das Summen der Bienen – Was die Kirche von Honigbienen lernen kann“ die Aufmerksamkeit auf das schwarz-gelbe Insekt und zeigt Analogien zwischen dem Bienenvolk und dem Kirchenvolk auf:
In der guten Organisation und dem einträchtigen Miteinander der Bienen sieht der katholische Theologe ein Vorbild für das Zusammenleben von Christen und Nicht-Christen. Ulrich Beckwermert, der seine eigenen vier Bienenvölker im Garten des Osnabrücker Priesterseminars aufgestellt hat, vergleicht die Welt der Bienen mit dem menschlichen Zusammensein und zieht dabei interessante Schlüsse.
Ein Bienenvolk besteht aus 50.000 bis 60.000 Arbeiterinnen und mehreren hundert männlichen Bienen, den Drohnen. Zusammen mit der Bienenkönigin bilden sie den Bienenstaat. „Eine Biene allein vermag nichts. Sie kann nur in einer Gemeinschaft mit anderen Artgenossen leben“, so Beckwermert. Die Bienenkästen, die im tiefen Winter leblos erscheinen, erinnern ihn an die unbelebten Kirchen. Durch den Missbrauch Schutzbefohlener und den Finanzskandal befinde sich auch die Kirche momentan im übertragenen Sinn in einem tiefen Winter, erläutert der Theologe. „Wer daran vorbeigeht, erkennt kein Leben, aber wer sich nähert und klopft, wird sich wundern, wieviel Leben hinter diesen Türen steckt.“ Und auf jeden Winter folgt dann ein Frühling. So wie die Bienen, setzt auch Beckwermert auf diese Gewissheit, und hofft, dass auch die Kirche einen Frühling und einen neuen Aufbruch erleben wird.
Ulrich Beckwermert, der als Generalvikar an der Leitung des Bistums Osnabrück mitwirkt, beschäftigt sich intensiv mit der Frage der Nachhaltigkeit und betont, dass die Kirche die Verantwortung trägt, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Jesus sei hier mit bestem Beispiel vorangegangen und hat auf die Schöpfung verwiesen, um seine Botschaft zu vermitteln. Die Bibelstelle „Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum“ (Matthäus 24,32), hat ihn dabei besonders ermutigt. Die Schöpfung, so Beckwermert, helfe dabei, die frohe Botschaft Jesu, das Evangelium, besser zu verstehen. Und die Schöpfung zu begreifen, helfe, die Kirche und ihren Verkündigungsauftrag tiefer zu erfassen. Die Beschäftigung mit den Bienen ist für ihn daher auch deswegen so wertvoll, weil die Bienen als Teil der Schöpfung etwas von Gott offenbaren. Er beschreibt in seinem Buch, warum Nachhaltigkeit und Artenschutz zutiefst christliche Themen sind. Die Schöpfung ist „…eine Offenbarung, eben weil sich Gottes Wirken darin offenbart – und sein Wirken ist schlichtweg die Liebe.“
Dass die Biene durch ihre Existenz das Überleben anderer Lebewesen sichert, lässt sich, laut Beckwerwert, auch auf das menschliche Zusammenleben übertragen. Wenn dem Menschen und allen Geschöpfen in der Natur gutes Leben ermöglicht werde, „…geht die ganze Schöpfung ihrer Vollendung entgegen“, schreibt der Theologe. „Der Mensch braucht die Biene für seine Zukunft.“ Bienen spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle, denn sie produzieren nicht nur Honig, sondern bestäuben einen Großteil der Nutz- und Wildpflanzen. Nimmt das weltweite Bienensterben noch weiter zu, so hat das fatale Folgen für die Biodiversität und Artenvielfalt, die der Mensch zum Überleben braucht. Dieser Sinnzusammenhang, und dass es bei den Bienen nichts gibt, das sinnlos ist, fasziniert den Geistlichen. Alle Bienen haben eine Aufgabe und er als Imker leistet einen Beitrag, um den Fortbestand der Bienen zu sichern.
Wenn im Mai oder Juni Tausende Bienen aus dem Stock schwärmen, um zusammen mit der alten Königin Platz für eine neue Königin zu machen, beginnt die Suche nach einer neuen Behausung. Die Kundschafterbienen haben die wichtige Aufgabe, ein neues Zuhause zu finden. Dabei kommunizieren sie mit Tanzbewegungen und versuchen, die anderen von ihren Vorschlägen zu überzeugen. Der Entscheidungsprozess fällt in einem „freundlichen Wettbewerb.“ Beckwermert, der auch hierin eine Botschaft für das Kirchenvolk erkennt, zitiert zu diesem Prozess den US-amerikanischen Verhaltensbiologen Thomas Dyer Seeley: „Von den Bienen können wir etwas Wertvolles lernen: Ein offener, fairer Wettbewerb der Ideen ist eine kluge Lösung der Aufgabe, eine Entscheidung auf Grundlage zahlreicher Informationen, die sich über eine Gruppe von Individuen verteilen, zu fällen.“ Beckwermert stellt fest, dass auch die Kirche der Zukunft ihre Beheimatung nur gemeinsam (synodal) und nicht durch eine Person allein (solo) finden kann.
Seine wichtigsten Erkenntnisse für das Leben im Bienenstock hat Ulrich Beckwermert am Ende seines Buches in kurzen Leitsätzen und in Anlehnung an die zehn Gebote in „10 Stockgeboten“ zusammengefasst:
- Du sollst vertrauen
- Du sollst fliegen
- Lebe nicht für Dich allein
- Tanze Deine Botschaft
- Sei wachsam
- Du sollst bauen
- Kenne Deine Herkunft
- Schätze die Verborgenheit
- Sorge für frischen Wind
- Riskiere Dich und lass Dich beschützen
Den Honig, den seine Bienenvölker im Garten des Osnabrücker Priesterseminars produzieren, gibt Ulrich Beckwermert gegen eine kleine Spende ab und lässt den Ertrag gemeinnützigen Zwecken zukommen. Das Summen der Bienen zu hören ist für ihn immer wieder eine große Freude: „Es gibt kein schöneres Lob Gottes, als das Summen der Bienen.“
(Text: Barbara Rickert)