Die Zweiglein der Gottseligkeit
Neben der Weihnachtskrippe verkörpert der festlich geschmückte Weihnachtsbaum unsere Vorstellung vom Weihnachtsfest wie kein anderes Symbol der weihnachtlichen Festkultur. Die klassische Weihnacht mit einem Tannenbaum, der am Heiligen Abend mit Schmuck und Kerzenlicht die Wohnzimmer ziert, entwickelte sich ab dem späten 18. Jahrhundert. Der Brauch, immergrüne Zweige als winterliche Dekoration zu verwenden, reicht jedoch bis in vorchristliche Zeit hinein. Die Römer betrachteten die Lebenskraft mediterraner Gewächse als Glücksbringer. Sie schmückten ihre Wohnstätten zum Jahreswechsel mit Lorbeerzweigen. Die Germanen wehrten während der Wintersonnenwende mit immergrünen Zweigen Gefahren, böse Geister und Blitze ab. Im Mittelalter befanden sich am 24. Dezember die ersten geschmückten Bäume in den Kirchen. Allerdings noch nicht als Weihnachtsbäume, sondern als „Paradiesbäume“, die mit Äpfeln geschmückt waren. Je nach Region und Landschaft holte man sich Eibe, Buchs, Wacholder, Mistel, Ilex, Tanne oder Fichte in die Häuser und nagelte kleine Büschel davon über die Tür oder an die Decke. Im Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ klingt am Anfang des 17. Jahrhunderts, in den Zeilen: „Die Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud…“, diese Tradition an.
Als ältester Beleg für einen Weihnachtsbaum gilt eine Bremer Zunftchronik aus dem Jahr 1570. Diese berichtet von einem kleinen Tannenbaum, der zur Weihnachtszeit im Bremer Zunfthaus aufgestellt und mit Datteln verziert war. Die Stubengesellschaft im elsässischen Schlettstadt richtete um das Jahr 1600 einen mit Äpfeln und Oblaten verzierten Baum auf. Von ihren Feiern zogen die Bruderschaften dann zur Christmette. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts haben mit Papierrosen und Zischgold behängte Weihnachtsbäume in Straßburg die Wohnstuben geschmückt. Im 18. Jahrhundert verbreitete sich der Tannenbaum als weihnachtliches Schmuckelement an den evangelischen Fürstenhöfen und bei hohen Beamten. Tannenbäume waren zu dieser Zeit in Mitteleuropa knapp und kostspielig und nicht für jedermann erschwinglich. Auch teure Bienenwachskerzen zur Beleuchtung des Baumes verwiesen auf den Reichtum des Hausherrn und waren daher nur wohlhabenden Bürgern vorbehalten.
Im 19. Jahrhundert wanderte der Brauch der geschmückten Bäume von den Häusern der Reichen in die Stuben der restlichen Bevölkerung
Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 bis 1871 ließ der preußische König in den Soldatenquartieren Weihnachtsbäume aufstellen. Die Soldaten brachten die Idee vom Weihnachtsbaum mit zu ihren Familien und der Weihnachtsbaum zog in die heimischen Wohnzimmer ein. Allmählich etablierte sich der geschmückte Weihnachtsbaum in bürgerlichen Wohnzimmern und auch in den stark katholisch geprägten Regionen Deutschlands. Über die Adelshäuser und deren Heiratspolitik verbreitete sich der Weihnachtsbaum schließlich in ganz Europa.
In der dunkelsten Zeit des Jahres spendet das Grün die Hoffnung auf die Wiederkehr von Licht und Frühling
Mit der Zeit wurden die Tannenbäume immer prächtiger herausgeputzt. Äpfel, Lebkuchen, Oblaten, Figuren aus Holz, Papierschmuck, Modelgebäck und Zuckerwerk schmückten den Baum. Die Kinder durften zu Weihnachten die Naschereien aufessen. Das frische Grün in kalter Winterzeit weckte die Hoffnung auf neues Leben. Der Baumschmuck erfüllte aber nicht nur dekorative Zwecke, sondern hatte auch eine tiefe symbolische Bedeutung. Früchte gelten als Sinnbild der Fruchtbarkeit. Der rote Apfel wächst am Baum der Erkenntnis und stellt die Frucht der Versuchung dar. Auch Engel sind ein beliebter Baumschmuck. Sie erscheinen im Auftrag Gottes und verkünden die frohe Botschaft. Maria kündigten sie die Geburt ihres Sohnes Jesu an, den Hirten wiesen sie den Weg zur Krippe. Strohsterne stehen für das vergangene Vegetationsjahr und die Erntefülle; darüber hinaus erinnern sie daran, dass Jesus in einer Krippe zur Welt kam. Auch Papierrosen als Christbaumschmuck haben eine lange Tradition. Die Rose ist das Sinnbild der Gottesmutter Maria. Wachskerzen erinnern an jenes Licht, das von Gott her in die Welt kam. Später entwickelten sich aus der Apfelsymbolik die Christbaumkugeln. Elektrische Kerzen, Zinnfiguren und Lametta lösten die Naturmaterialien ab.
Die deutsche Familienweihnacht wurde zum Vorbild für andere Länder
Der Weihnachtsbaum wurde zum Zeichen einer besinnlichen Festkultur. Er symbolisierte Familienzusammenhalt¸ häusliche Geborgenheit und durch die Kinderbescherung unter dem Christbaum eine neue Hinwendung zum Kind. Durch deutsche Auswanderer und die zunehmende Globalisierung führte das Vorbild der deutschen Familienweihnacht zu einer Angleichung der Weihnachtsbräuche in Europa und Übersee.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch in den katholischen Kirchen Weihnachtsbäume aufgestellt. Papst Johannes Paul II. führte das Brauchtum im Jahr 1982 im Vatikan ein, als er den ersten Weihnachtsbaum auf dem Petersplatz in Rom aufstellen ließ.
Schöne Liedtexte, Gedichte und Geschichten rund um den Weihnachtsbaum:
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…“
„Advent“ von Rainer Maria Rilke
„Der Tannenbaum“ von Hans Christian Andersen
(Von Barbara Rickert)