Da war die Welt noch in Ordnung: Junge Eltern tragen ihr Kind in den Tempel, um Gott für die Geburt zu danken. Sie stehen fest in ihrem Glauben. Und zwei alte Leute, die ihre langen Tage am Tempel verbringen, freuen sich darüber. Dieses Bild malt Lukas im Evangelium. Und er legt dem alten Simeon ein Danklied in den Mund: Er kann zufrieden aus der Welt gehen, denn er sieht: Der Glaube geht weiter.
Heute ist vieles anders. Die Kette der Glaubensweitergabe scheint zerrissen zu sein. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Eltern ihren Kindern den Glauben weitergeben. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Eltern ihren Kindern das Beten lehren. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder an der Hand ihrer Eltern den Gottesdienstraum und die Liturgie am Sonntag kennen und schätzen lernen.
…muss die Glaubenskette nicht endgültig zerbrechen? Es scheint mir so, als wäre in unseren Tagen der Glaube der Großeltern entscheidend, der Glaube der älteren Generation. Davon erzählt ein Kinderbuch: „Moritz und der liebe Gott“.
Es erzählt von einem 13-jährigen Jungen, der durch die Trennung seiner Eltern in eine Lebenskrise gerät. Weil er nicht dabei sein will, fährt Moritz ziellos mit seinem Kickboard durch die Gegend und landet zufällig in einer Kirche. Dort trifft er auf Frau Schmidt. Sie scheint sich an diesem für Moritz reichlich fremden Ort heimisch zu fühlen. Ohne lange zu überlegen, hat Moritz für seine Eltern, seine Schwester und sich selbst vier Kerzen angezündet. Frau Schmidt weist ihn darauf hin, dass man die Kerzen auch bezahlen muss! Sie legt das Geld für ihn aus. Um seine Schulden zu bezahlen, besucht Moritz die alte Frau im Altenheim und beginnt ihr Fragen zu stellen: Warum der Glaube für sie so wichtig sei. Wie das geht: glauben.
Und die alte Frau erzählt ihm auch davon, wie sie selbst glauben gelernt hat. Sie erinnert sich an ihren Lehrer und erzählt Moritz: „Meinem Volksschullehrer ist es gelungen, uns Kindern den ganzen Glauben mit nur einer einzigen Handbewegung zu beschreiben. Er legte seine Hände aneinander, so als ob sie einen kostbaren Schatz halten und beschützen würden. Dann sagte er zu uns: An Gott glauben, das heißt zu spüren, dass wir in seiner Hand geborgen sind. Das war alles. Mehr hat er nicht gesagt. Aber ich habe es nicht vergessen. Und genau das ist noch heute für mich der ganze Glaube. Was seine Hände mir damals gezeigt haben, das fühle ich immer noch. Mein alter Lehrer war ein besonderer Mensch. Bei ihm waren wir still, und zwar nicht, weil er so streng gewesen wäre. Wenn er vor uns stand, hatten wir das Gefühl, dass er jeden von uns einzeln anschaute und ansprach. Er stand vor uns, sah uns an und jedes von uns Kindern hatte das Gefühl: Es geht um mich. Vielleicht konnte er uns deshalb so gut den Glauben erklären. Ich sehe ihn jetzt noch vor mir. Und das nach über achtzig Jahren. Merkwürdig, wie einige Lehrer einen prägen.“
Dieses Kinderbuch scheint mir einen Nerv unserer Zeit zu treffen. Kinder warten darauf, dass Menschen Zeit für sie haben. Dass es jemanden gibt, der auf ihre Fragen Antworten geben kann, die durch eigene Erfahrung gedeckt sind. Hier sind Oma oder Opa die besten Lehrer.
Kinder haben große Interesse an Gott zu glauben. Junge Eltern sind oft viel zu viel mit sich selbst beschäftigt. Sie stehen unter Erfolgsdruck und ihnen fehlen oft schon selbst die Glaubenserfahrungen. Was die Weitergabe des Glaubens angeht, ist in unserer Zeit die Großelterngeneration gefragt, die Simeons und Hannas unserer Tage.
Reinhold Schlappa, Meschede, Pastor im Pastoralen Raum Meschede Bestwig